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Die Kunst der Spätantike

Geschichte eines Stilwandels

Erschienen am 01.08.2009
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783150106648
Sprache: Deutsch
Umfang: 217 S., Abbildungen
Format (T/L/B): 2.4 x 20 x 13 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Was um Himmels Willen ist bloß passiert - fragt man sich, wenn man mit wachen Augen durch römische Antikenmuseen läuft. Wieso verschwindet plötzlich und auf nimmerwiedersehen in spätrömischer Zeit der schöne Naturalismus, der aus Kaisern, Konsuln, deren Frauen und Kindern Menschen wie du und ich machte, nur ein wenig bigger than life, fast wie im Fernsehen? Was war nur der Grund für die Invasion des Vergröberten, des Karikaturhaften, des Abstrahierten, des Grotesken, des Simplifizierten überall in der spätantiken Kunst? Die Barbaren? Das Christentum? Nichts davon, sagt der große französische Althistoriker Paul Veyne, kein äußerer Grund, vielmehr eine der Kunst innewohnende Notwendigkeit ließ den Stil vom Hellenismus ins Mittelalter stürzen. Eine feinfühlige, genaue und gerechte Neuinterpretation der 'Mutter aller Dekadenzepochen'.

Autorenportrait

Paul Veyne, geb. 1930, ist Professor für Alte Geschichte am Collège de France und einer der bedeutendsten Gelehrten seines Fachs weltweit.

Leseprobe

Leseprobe Einleitung Wann endete die Kunst der griechisch-römischen Antike? Warum und auf welche Weise mussten die Venus-Statuen, die mit mythologischen Szenen geschmückten Sarkophage und die so lebensnahen römischen Porträts den strahlenden Farben der Mosaiken von Ravenna mit ihren anonymen und stark stilisierten Personen weichen? Diese Frage erhebt sich sofort, wenn man das Relief einer Prozession aus den letzten Jahren vor der Zeitenwende (Abb. 1) mit der Darstellung einer Prozession aus dem 6. Jahrhundert vergleicht (Abb. 2). Mag die Zahl an Meisterwerken auch gering sein, so ist die Kunst der ersten vier oder fünf Jahrhunderte unserer Zeitrechnung - so lange hatte das Römische Reich im Westen Bestand - doch reich an Eigentümlichkeiten und Paradoxien. Fragen theoretischer Art stellen sich hier ganz von selbst. Diese Kunst endete nicht an einem bestimmten Datum, und sie hat nicht eines schönen Tages die Bühne der Welt einfach verlassen. Sie ist Stück für Stück geschwunden, zu unterschiedlichen Zeiten und aus unterschiedlichen Gründen, je nachdem, welchen Teilbereich man betrachtet. Es lässt sich somit kein genauer Todeszeitpunkt angeben. Deshalb war die Kunst im Laufe der Jahre auch sehr heterogen geworden, sie ging eklektisch vor und war so bunt gewürfelt wie das Gewand eines Harlekins. Manche Teile dieses Gewands, darunter die eher klassischen Partien, sollten noch viele Jahrhunderte bis weit in die byzantinische Zeit hinein erhalten bleiben, während andere sehr bald das Mittelalter anzukündigen scheinen. Es gab kein Ende der antiken Kunst im eigentlichen Sinne. Was zu unterschiedlichen Epochen zu Ende ging, war die Antike selbst. Davon betroffen waren Politik, Gesellschaft, Religion und ihre spezifische Art des Denkens, während die griechischrömische Kunst ihrerseits weiterhin ihre verschiedenen kleinen Tode starb. Die Antike, so wie sie gemeinhin definiert wird, endete um das Jahr 400 mit den ersten Einfällen der Germanen oder aber im Jahre 476 mit dem Untergang des Reiches im Westen und seinem Fortbestand im Osten. Dennoch wird die antike Kunst im Westen irgendwann einmal, im 7. Jahrhundert oder noch später, als Kunst des Frühen Mittelalters bezeichnet werden, wofür die künstlerisch hochrangigen Fresken von Santa Maria Antiqua oder von Castelseprio ein Beispiel sind. Im Osten wird die antike Kunst zur byzantinischen werden und ohne stilistische Brüche (die Brüche betreffen nur die Ikonographie und Funktion) die Kunst der Spätantike fortführen. In Italien wird die Kunst, die man als mittelalterlich bezeichnen kann, erst nach dem großen Barbarenansturm des Jahres 568 ihren Anfang nehmen, und gegen Ende des 1. Jahrtausends unserer Zeitrechnung wird die byzantinische Kunst die für sie typischen Charakteristika stärker zur Geltung bringen.

Inhalt

Inhaltsverzeichnis Einleitung Ikonographie und Geschichte der Formen Die beiden Wendezeiten: Um 200 und um 300 Die Entwicklung der Formen ist autonom Die Erneuerungen der Zeit um 200 Die "römische" Kunst war eine hellenisierende Kunst Der Akademismus der ersten beiden Jahrhunderte Die konventionelle Forderung nach "orthographischer" Strenge Ist die Markussäule pathetisch? Die angebliche "Angst einer Epoche" Das Aufkommen eines barocken Stils Der Manierismus des 3. Jahrhunderts Realismus versus Schönheit Die Freude an einem künstlichen Stil Ein neues moralisches Ideal in der Porträtdarstellung Die Kaiserporträts des 3. Jahrhunderts Die Darstellung des Seelenlebens Der Expressionismus der 90er-Jahre des 3. Jahrhunderts Der Severerbogen: Der Populismus der offiziellen Kunst Populismus und Primitivismus Ein originelles Werk: Die Tetrarchen von Venedig Der offizielle Stil des 3. Jahrhunderts Die Reliefs des Konstantinsbogens: Eine volkstümlich-heitere Darstellung Das Schwinden des Naturalismus in der Darstellung der menschlichen Gestalt Die neuen Darstellungstechniken des 4. Jahrhunderts Von den naturgetreuen zu den analogen Formen Der weichere Stil der Spätantike "Reliefierte Malerei" und abstrakte Struktur Der Neoklassizismus der Spätantike Mosaiken als "Comics" Die Stile der christlichen Sarkophage: Der ernste Stil Der hellenisierende schöne Stil Der prosaische Stil Der heitere Stil Die Darstellungsweise des 4. Jahrhunderts und die neue christliche Kunst Der Stilwandel als Kehrtwende Spiegelt der Stil den Zeitgeist? Ausdruck und Expressivität der Formen Geschichte des Stils und allgemeine Geschichte Das Ende der antiken Kunst: Ein autonomes Stilphänomen Anmerkungen Bildnachweis Zum Autor

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