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Der Gesang des Maori

Roman

Erschienen am 01.01.2012
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783492273121
Sprache: Deutsch
Umfang: 400 S.
Format (T/L/B): 3 x 19 x 12.1 cm
Einband: kartoniertes Buch

Autorenportrait

Emma Temple ist das Pseudonym der deutschen Autorin Katrin Tempel. Sie wurde 1967 in Düsseldorf geboren und wuchs in München auf. Während ihres Studiums der Geschichte und der Politik entdeckte sie ihre Liebe zu Neuseeland und verbrachte ein Jahr auf einer Farm in der Nähe von Christchurch - ein Ort, zu dem sie immer wieder zurückkehrt. Nach dem Studium war sie zunächst Journalistin, seit ein paar Jahren arbeitet sie an ihren Romanen und Drehbüchern. Sie lebt heute mit ihrer Familie an der Weinstraße.

Leseprobe

Für Georg und die Maus   INDISCHER OZEAN, 1953       1.   Die Gluthitze der Kohle brannte heiß auf seinem Gesicht. Seine Arme fühlte er schon seit Stunden kaum noch, aber John schaufelte weiter die schwarzen Brocken in die gleißende Luke. Ein Nachlassen konnte er sich nicht leisten. Der Aufseher hatte sie alle im Auge. Er sah sofort, wenn einer der Arbeiter im immer gleichen Takt des Schaufelns langsamer wurde. Dann sparte er nicht mit Hieben auf den Rücken, die Beine und die Arme. Als ob die bei der pausenlosen Arbeit nicht ohnehin schon genug schmerzen würden. Der Krug mit dem Wasser war der einzige Luxus, der den Arbeitern auf der Pacific Maiden gestattet wurde. Kein Wunder, sonst würden sie bei der Arbeit im Funkenflug der Kohleglut innerhalb eines halben Tages zusammenbrechen. Als John sich um diesen Job beworben hatte, war ihm klar, dass keine entspannte Überfahrt auf ihn wartete. Aber so hart hatte er es sich doch nicht vorgestellt. Kohle schaufeln - das klang nach schwerer Arbeit, und die hatte er in seinem Leben noch nie gescheut.Aber tatsächlich herrschte hier unten, bei den riesigen Maschinen im Bauch der Pacific Maiden, eine nahezu unerträgliche Hitze. Dazu kam ein Mangel an Sauerstoff, der für ständige Kopfschmerzen sorgte. Das unablässige Stampfen der großen Kolben machte alles noch schlimmer. Die Schlafquartiere lagen nicht weit entfernt von den Maschinen. Die Männer ruhten dort dicht gedrängt auf den durchgelegenen Pritschen, die die Arbeiter der anderen Schicht erst kurz zuvor geräumt hatten. John hatte keine Ahnung, mit wem er seine Pritsche teilte - aber er schlief immer mit dem Schweiß des anderen in der Nase. Ein schriller Pfiff beendete seine Schicht für diesen Tag. Oder war es Nacht? John hatte jedes Zeitgefühl verloren. Aber heute wollte er nicht einfach nur einen harten Kanten Brot essen und dann in einen tiefen Schlaf fallen - heute wollte er unbedingt einmal kurz an Deck gehen und seine Lunge mit frischer Luft füllen. Das hatte er sich eigentlich für jeden Abend vorgenommen, aber an den letzten Tagen hatte stets eine lähmende Müdigkeit gesiegt. Erschöpft stieg er die vielen Stufen nach oben, es kam ihm vor, als ob er aus dem Schlund der Hölle allmählich wieder ans Licht gelangen würde. Eine letzte Stiege noch, dann schob er eine Metalltür auf und fand sich auf den sauber geputzten Planken des großen Dampfers wieder. Langsam ging er zur Reling.Tief unter ihm glitzerte der Indische Ozean, Plankton leuchtete in der Bugwelle auf und verlieh der Schiffswand einen nahezu magischen Glanz. Sie befanden sich irgendwo südlich von Indien. Nicht mehr lange, und sie würden den Suezkanal durchqueren. John würde davon wahrscheinlich kaum etwas mitbekommen, sondern wieder im Bauch des Schiffes festsitzen und Kohle schaufeln. Neugierig sah er sich um. Das Schiff gehörte seinem Vater, wie alle Schiffe, die 'Pacific' im Namen trugen. Er kannte seine Geschwindigkeit,seine Größe,sein schon reichlich hohes Alter - so wie er es von allen Schiffen der Pacific Shipping Company kannte.Wahrscheinlich war er sogar schon irgendwann einmal an Bord gewesen, hatte sich dem Kapitän vorgestellt und höflich gelächelt, als die Männer Witze über Erben und Nachfolge gemacht hatten. Johns Vater war noch rüstig,der würde sich noch einige Jahrzehnte lang die Zügel der Reederei nicht aus den Händen nehmen lassen - da war John sicher. Aber jetzt hatte er Abschied von diesem Leben genommen. Endgültig. Er war nur einer der Männer, die Kohle schaufelten - nicht mehr der Sohn des Besitzers. So hatte er es gewollt, als er sich als 'John Miller' in die Liste eingetragen hatte. Versonnen sah er in den Himmel hinauf. Es war Nacht, das Kreuz des Südens lag auf der Seite, knapp über dem Horizont. Nicht mehr lange, und er würde es nicht mehr sehen, das Gestirn, das während seiner ganzen Kindheit über seinen Schlaf gewacht hatte. Künftig wollte er ein Leben in Deutschland führen, bei seiner eigentlichen Familie. Neuseeland war Vergang